Mit Hilfe von Smart-Metering werden Daten über Stromverbrauch im Minutentakt erfasst und ausgewertet. Das bietet grundsätzlich die Möglichkeit, durch Verhaltensänderungen und erhöhter Sensibilisierung für den Stromverbrauch, Kosten zu sparen. Zweitens erfolgt eine Datenfernübertragung an private Unternehmen. Hier sehen Verbraucherschützer den größten Schwachpunkt der Technologie. HausXXL hat bei zwei Insidern nachgefragt.
Die SmartMeter-Experten
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Greveler ist Professor für angewandte Informatik an der Fakultät Kommunikation und Umwelt der Hochschule Rhein-Waal. Von 2006 – 2012 lehrte er an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und forschte unter anderem im FH-proFunt geförderten Projekt DaPriM (Data Privacy Management) über Datensicherheit in neuen Sicherheitsarchitekturen.
Dr. Micheal Schmidt ist Geschäftsführer der RWE Metering GmbH. Seine Laufbahn in der Energiewirtschaft begann er nach Studium und Promotion im Jahr 1991 bei der damaligen VEW (Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG). Seit 2013 ist er Geschäftsführer der RWE Metering GmbH.
Wie würden Sie einem Laien erklären, was Smart-Meter sind und worin die Vorteile bestehen?
Michael Schmidt: Die Produktion der klassischen Ferraris-Stromzähler mit Drehscheibe wird zum Ende 2015 eingestellt. Sie werden nun sukzessive durch elektronische Zähler ersetzt. In Verbindung mit einem Gateway, das den Zähler kommunikationsfähig macht, wird er dann zum Smart Meter, zum intelligenten Messsystem.
Der Kabinettsentwurf zum Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende sieht vor, Smart Meter erst ab einem jährlichen Stromverbrauch von 6.000 Kilowattstunden einzusetzen. Kunden mit geringerem Verbrauch erhalten ebenfalls einen elektronischen Zähler, allerdings ohne Gateway.
Mit einem Smart Meter können Kunden in Zukunft mehrere Stromtarife nutzen und so theoretisch alle 15 Minuten einen für sie besonders günstigen Tarif wählen. Außerdem werden die intelligenten Messsysteme Kunden einen einfacheren Blick auf ihren Energieverbrauch ermöglichen und auf diese Weise mögliche Einsparpotenziale aufzeigen. Viele Kunden wünschen sich mehr Transparenz über Ihren Stromverbrauch.
Ulrich Greveler: Smart Meter ermitteln Verbrauchsmengen und -zeiten von Strom, Gas und Wasser und übermitteln diese Daten an Versorger, Netzbetreiber oder sogenannte Messstellenbetreiber, nicht zuletzt um ohne Ablesevorgang eine Rechnung erstellen zu können oder den Verbrauchern einen Überblick über ihr Verhalten geben zu können. Die erhobenen Daten lassen Rückschlüsse auf die Bewohner zu und sind daher zu schützen.
Wie verändert der Einbau eines intelligenten Messsystems aus Ihrer Sicht das Leben der Verbraucher?
Michael Schmidt: Die intelligente Messtechnik bietet dem Verbraucher eine Visualisierung seines Stromverbrauchs und bildet damit die Voraussetzung für mögliche Energie- und Kosteneinsparungen. Die transparente Darstellung ermöglicht es zum ersten Mal dem Kunden sich in Echtzeit mit seinem aktuellen Stromverbrauch auseinander zu setzen – und das sogar vom Sofa in seinem Wohnzimmer aus. Dies kann für den Kunden eine Motivation sein, die Einsparpotenziale auch konsequent auszunutzen.
Ulrich Greveler: Einerseits kann der Verbraucher den Einbau ignorieren, denn sein Leben verändert sich dadurch subjektiv nicht. Möglicherweise begrüßt er es sogar, wenn der Ablesevorgang entfällt oder er ärgert sich über zusätzliche Kosten. Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, sein Verbrauchsverhalten zu analysieren. Dass dabei sensible Daten anfallen und diese in falsche Hände geraten könnten, kann das Leben des Verbrauchers stark beeinflussen.
Er könnte den Smart Meter dann als Überwachungssensor innerhalb seines privaten Lebensbereiches wahrnehmen und ein Vermeidungsverhalten einnehmen, da er sich nicht mehr unbeobachtet fühlt. Letzteres wäre eine Katastrophe für die Betroffenen, die hoffentlich nicht eintritt.
Ist der seit Januar 2010 bestehende Zwang zum intelligenten Stromzähler nicht ein Rückschritt in der Liberalisierung des Strommarktes?
Michael Schmidt: Der aktuelle Kabinettsentwurf des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende sieht einen Einbau von intelligenten Messsystemen erst ab einem Jahresstromverbrauch von 6.000 Kilowattstunden vor. Diese Einbaupflicht orientiert sich an den möglichen Einsparpotenzialen, die eine im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums durchgeführte Kosten-Nutzen-Analyse ergeben hat. Also nur bei Kunden, die auch ein hohes Einsparpotenzial haben, besteht eine Einbaupflicht von intelligenten Messsystemen. Alle anderen Kunden erhalten einen elektronischen Zähler.
Ulrich Greveler: Zwänge halte ich für bedenklich. Anreizsysteme hätte ich grundsätzlich bevorzugt. Zwänge führen zu einer ablehnenden Haltung zu einem Zeitpunkt, zu dem vielen Verbrauchern Potential und Anwendungsszenarien digitaler Messeinrichtungen noch nicht bekannt sind. Durch den sehr früh angekündigten Zwang zur Einführung wurde viel Porzellan zerschlagen. Das führte zur absurden Situation, dass der Zwang bereits verkündet war als die Ausgestaltung im Hinblick auf Messintervalle, Datensicherheit und Fristen in Abhängigkeit vom Jahresverbrauch noch nicht bekannt war. So verprellt man die Verbraucher!
Stimmt es, dass intelligente Stromzähler mehr Daten erheben als nötig?
Michael Schmidt: Das Gesetz geht vom Grundsatz der Datensparsamkeit aus. Es dürfen nur Daten erhoben werden, die zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben notwendig sind – hier zum Beispiel Viertelstundenwerte zur Abrechnung des Verbrauchs. Wo diese Daten nicht personenbezogen erforderlich sind, zum Beispiel beim Netzbetreiber, dürfen sie nur pseudonymisiert weitergegeben werden. Die Anforderungen an Datenschutz und -sicherheit sind sehr hoch – höher als zum Beispiel beim Home-Banking.
Ulrich Greveler: Das hängt wohl davon ab, was man als Zweck definiert. Wenn es nur um die ablesefreie Erzeugung von Stromrechnungen geht, liefert der Smart Meter mehr Daten als benötigt. Daten, die nicht benötigt werden, sollten erst gar nicht erhoben werden bzw. vor der Weiterleitung anonymisiert und aggregiert werden.
Diese technischen Lösungen gibt es. Wir werden sehen, ob bei den kommenden Smart-Meter-Roll-Out-Projekten tatsächlich Datensparsamkeit berücksichtigt wird. Ich würde mir hier eine rechtliche Stärkung der Verbraucher wünschen: Feingranulare Energieverbrauchsdaten sollten von Gesetzgeber ähnlich wie Telekommunikations-Verkehrsdaten als besonders sensible Daten klassifiziert werden, an deren sichere Speicherung und Verarbeitung besondere Maßstäbe angelegt werden. Und: Sanktionen sollten nicht fehlen! Wenn ein Versorger gegen Datenschutzvorgaben verstößt, sollte der Verbraucher für den betroffenen Zeitraum den Strom auch nicht mehr bezahlen müssen. Finanzielle Sanktionen können Wunder wirken. Leider ist der Gesetzgeber hier noch sehr zurückhaltend.
Hat sich im Bereich Datenverschlüsselung in den letzten Jahren etwas getan?
Michael Schmidt: Die Vorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) stellen sicher, dass alle Daten ausreichend verschlüsselt werden. Der Datenschutz hat auch bei der Gerätetechnik und Administration der Daten höchste Priorität.
Ulrich Greveler: Ja, heute sind keine eklatanten Versäumnisse bekannt. Ich mache mir aber Sorgen um die an zentraler Stelle gespeicherten Energieverbrauchsdaten. Diese mögen zwar auf sicherem Wege übertragen worden sein; ein zentraler Zugriff, z. B. eine Beschlagnahme oder ein Verlust eines Backup-Mediums wird dadurch aber nicht verhindert. Aktuelle Skandale um entwichene Daten von Großunternehmen zeigen, dass ein solcher Datendiebstahl ein beängstigendes, weil realistisches Szenario wäre.
Verbraucherschützer formulieren oft plakativ: "Das Smart-Meter nutzt nicht dem Verbraucher sondern der Wirtschaft". Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Michael Schmidt: Wenn Unbefugte an die Daten der Verbraucher kämen, könnten sie herausfinden, welches Fernsehprogramm gerade geschaut wird oder welche Marke oder welches Alter die Kaffeemaschine hat, die gerade läuft. Diese Informationen wären für die Hersteller dieser Geräte sicher interessant. Vor Rückschlüssen auf die Lebensgewohnheiten brauchen Kunden jedoch keine Angst zu haben, so etwas wird es in Deutschland nicht geben. Vorgaben des Gesetzes und deren Konkretisierung durch das BSI stellen sicher, dass Daten nur an berechtigte Verarbeiter weitergegeben werden.
Ulrich Greveler: Die Aussage ist wohl in erster Näherung richtig, es muss aber nicht immer eine Kollision von Interessen sein, denn auch der Verbraucher kann den Smart Meter zu seinem Vorteil nutzen. Wenn er aber nur zusätzliche Kosten spürt, ohne Vorteile wahrzunehmen, wird er sehr enttäuscht sein – und dann stimmt auch diese plakative Aussage. Ich fürchte, dass die meisten Verbraucher zunächst keine Vorteile sehen werden; dann werden die Verbraucherschützer Recht behalten.