Seit dem 1. Juni 2015 gilt in Deutschland: Wer den Makler bestellt, der muss ihn auch bezahlen. HausXXL hat nachgefragt, welche Auswirkungen das neue Bestellerprinzip auf den Wohnungsmarkt hat. Ob das Angebot an Wohnungen nun knapper wird und ob vielleicht gerade jetzt der Hausbau lohnt?
Im Interview mit HausXXL erklären Herr Claus O. Deese vom Mieterschutzbund und Herr Alexander Wiech von Haus & Grund, welche Probleme und Verbesserungen das neue Bestellerprinzip mit sich bringt.
Ist das Bestellerprinzip fair?
HausXXL: Seit dem 01. Juni 2015 gilt bei der Vermittlung von Mietwohnungen: wer den Makler bestellt, bezahlt auch dessen Provision. Ist dieser Grundsatz Ihrer Meinung nach fair?
Claus O. Deese: Ja, wer die Musik bestellt, soll sie auch bezahlen, das ist fair.
Alexander Wiech: Der Grundsatz ist selbstverständlich fair. Er ist aber auch bei der Wohnungsvermittlung durch Makler nicht ganz neu. Der Provisionsanspruch des Maklers setzte auch schon vor der Einführung des Bestellerprinzips u.a. voraus, dass zwischen dem Makler und seinem Kunden ein Vertrag zustande kam. Mit den neuen Regelungen wird es ist nun Sache der Makler sein, die neuen gesetzlichen Vorgaben einzuhalten, indem sie mit ihrem Kunden – gleich ob Vermieter oder Mieter – einen Vertrag aushandeln, damit jede Partei genau weiß, woran sie ist.
Ist das Bestellerprinzip verfassungskonform?
HausXXL: Laut Aussage des Immobilienverbands Deutschland (IVD) sei das neue Bestellerprinzip verfassungsrechtlich bedenklich. Wie stehen Sie dazu?
Claus O. Deese: Wir glauben nicht, dass das sog. Bestellerprinzip verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. Es gibt keinen Grundsatz, wonach es verfassungsrechtlich bedenklich ist, dass derjenige, der einen Auftrag erteilt, auch die entsprechenden Kosten zu tragen hat.
Lässt das Bestellerprinzip die Mieten steigen?
HausXXL: Einige Maklerverbände vermuten jetzt steigende Mieten, weil Vermieter die Maklerkosten auf die Mieten umlegen werden. Teilen Sie diese Befürchtung?
Claus O. Deese: Wir glauben nicht, dass nunmehr von Vermietern gezahlte Maklerkosten zu steigenden Mieten führen werden. Vielmehr werden Vermieter versuchen, mit Maklern bessere Konditionen hinsichtlich der Tragung von Maklerkosten auszuhandeln. Insoweit würde auch hier ein klares Prinzip der Marktwirtschaft greifen.
Alexander Wiech: Dort wo Mieten frei verhandelt werden können, wird das sicherlich versucht. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Ein Vermieter weiß jedoch nie, wie lange der Mieter in seiner Wohnung wohnen wird, wann er also wieder mit Maklerkosten zu rechnen hat. Die Kalkulation dürfte schwierig sein.
Verringert das Bestellerprinzip das Angebot an Mietwohnungen?
HausXXL: "DIE WELT" schrieb am 03. Juni 2015, dass die Auswirkungen des Bestellerprinzips bereits spürbar seien, da es im Internet weniger Angebote an Mietwohnungen gäbe. Wird sich das Angebot an Wohnungen durch das Bestellerprinzip verknappen und so die Situation auf dem Wohnungsmarkt verschärfen?
Claus O. Deese:Es gibt Städte, in denen das Angebot an Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt recht knapp war bzw. ist. Diese Knappheit bleibt natürlich, auch wenn Maklerkosten nunmehr nicht mehr automatisch auf Mieter abwälzbar sind, eine Entspannung kann nur durch Wohnungsneubau erfolgen.
Alexander Wiech: Es kann sicherlich dazu kommen, dass nun mehr Wohnungen unter der Hand den Mieter wechseln – also ohne Insertion. Verschärfen wird sich dadurch die Situation auf angespannten Wohnungsmärkten nicht, weil schließlich auch ein Wohnungssuchender wenig auf dem Markt ist. Die Auswahl unter den inserierten Wohnungen wird für die Wohnungssuchenden nur kleiner.
Steigt jetzt der Konkurrenzdruck im Vermittlermarkt?
HausXXL: Wird sich Ihrer Meinung nach der Konkurrenzdruck im Vermittlungsmarkt noch weiter erhöhen? Welche Konsequenzen sind zu erwarten?
Claus O. Deese: Inwieweit sich die Konkurrenz unter Maklern erhöhen wird, kann zurzeit noch nicht beurteilt werden. Unserer Auffassung nach wird sich nunmehr allerdings die "Spreu vom Weizen" trennen, seriös und professionell arbeitende Makler können von ihren Auftraggebern auch eine entsprechende Entlohnung verlangen.
Alexander Wiech: Der Konkurrenzdruck unter den Maklern wird zunehmen. Wir empfehlen Vermietern, in den Maklerverträgen eindeutig die erwarteten Leistungen zu definieren, die Einhaltung genau zu überprüfen und vor allem auch, über den Preis zu verhandeln. Es muss schließlich nicht immer die gesetzliche Höchstgrenze sein. Wir haben es mit einer gänzlich neuen Marktsituation für die Makler zu tun, auf die diese sich einstellen müssen. Wer das nicht kann, wird vom Markt verdrängt.
Brauchen wir eine Fachkundenachweis für Makler?
HausXXL: Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien ist von einem Fachkundennachweis für Makler die Rede. Wäre das ein Vorteil für den Wohnungsmarkt?
Claus O. Deese: Wir unterstützen einen sog. Fachkundenachweis für Makler, da zurzeit jeder, der Lust dazu hat, sich Makler nennen darf und auch eine solche Tätigkeit ausüben kann. Inwieweit hier eine vernünftige Beratung und Dienstleistung gegenüber dem jeweiligen Kunden, egal ob Vermieter oder Mieter, erfolgt, ist bisher völlig nebensächlich gewesen. Anstrengungen zur Qualitätsverbesserung sind immer gut.
Alexander Wiech: Ein Fachkundenachweis für Makler wäre gewiss von Vorteil. Es gibt Makler, die für ihr Geld wenig Leistung abliefern. Dies muss ein Ende haben. Wir glauben, dass das Bestellerprinzip in Verbindung mit einem Fachkundenachweis zur einer Marktbereinigung führen würde.
Verringert sich langfristig die Zahl der Mieter?
HausXXL: Nach einer Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung wird die Nachfrage nach neuem, vom Eigentümer bewohntem Wohneigentum in den nächsten 10 Jahren um 15,5% steigen. Gleichzeitig soll die Nachfrage nach gekauften, aber dann vermietetem Wohnraum um 5% zurückgehen. Kurzum: In Zukunft wollen weniger Menschen vermieten und weniger zur Miete wohnen. Wird das Bestellerprinzip diese Tendenz verstärken, weil Vermietung unattraktiver wird oder sind hier andere Faktoren ausschlaggebend?
Claus O. Deese: Die Frage, inwieweit Menschen lieber im Eigentum wohnen wollen, statt zur Miete, ist in erster Linie mit den eigenen finanziellen Möglichkeiten der potenziellen Käufer bzw. jetzigen Mieter eng verknüpft. Sicherlich ist der Wunsch, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, stark verbreitet, kann aber in den sog. "prosperierenden Regionen" für Normalverdiener faktisch nicht oder nur sehr eingegrenzt umgesetzt werden. Da das Bestellerprinzip nur bei der Vermittlung von zu vermietenden Wohnraum gilt, nicht aber bei Eigentumsmaßnahmen, hat die Einführung des Bestellerprinzips bei der Vermittlung von Mietwohnungen unserer Auffassung nach keinerlei Auswirkungen auf die Attraktivität von Vermietung von Wohnraum.
Alexander Wiech: Kein Vermieter wird wegen des Bestellerprinzips die Vermietung einstellen. Entweder nimmt er die Mietersuche selbst in die Hand oder er wird einen Makler bezahlen müssen. Private Vermieter bieten in der Regel zwischen 3 und 5 Wohnungen an. Die Mietverhältnisse laufen durchschnittlich 11 Jahre. Ein Mieterwechsel steht also nicht jede Woche an.
Wie wird sich der deutsche Wohnungsmarkt allgemein entwickeln?
HausXXL: Wie sehen Sie allgemein die Entwicklung des deutschen Wohnungsmarktes für die nächsten Jahre? Werden die Mieten weiter steigen?
Claus O. Deese: Eine allgemeine Entwicklung des deutschen Wohnungsmarktes wird es in den nächsten Jahren so nicht geben. Wir haben unterschiedliche Wohnungsmärkte mit unterschiedlichen Auswirkungen. In Städten, die als sog. "prosperierend" gelten, wird bei weiteren Zuzügen das Wohnungsangebot knapper werden, mit der Folge, dass sowohl die Eigentumspreise, als aber auch die Mietpreise, weiterhin drastisch steigen werden. Die auch jetzt beschlossene Mietpreisbremse wird hier nur sehr geringe Auswirkungen haben.
In anderen Regionen, in denen schon jetzt feststellbar ist, dass ein starker Bevölkerungsrückgang vorhanden ist, werden sowohl Eigentumspreise sinken, als aber auch Mieten zumindest nicht mehr steigen. Der Leerstand wird in solchen Regionen, unabhängig von der Rechtsform der Nutzung (Eigentum oder Miete), drastisch zunehmen.
Beide Entwicklungen sind, volkswirtschaftlich betrachtet, nicht wünschenswert, hier ist die Politik mit intelligenten Maßnahmen gefordert. Wir erkennen allerdings keinen tatsächlichen politischen Willen dazu.
Alexander Wiech: Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist äußerst heterogen. Es gibt Boomstädte, die sicher auch in den nächsten Jahren noch attraktiv sein werden. Es gibt aber auch zahlreiche Regionen, die Einwohner verlieren, in denen Häuser leer stehen und wo die Vermieter nur schwer Mieter für ihre Wohnungen finden. In diesen Regionen haben die Vermieter übrigens schon immer den Makler bezahlt. Wir werden also in den nächsten Jahren ein weiteres Auseinanderdriften der Regionen erleben. Der starke regionale Mietenanstieg der vergangenen Jahre wird abflauen. Bereits jetzt stellen Forschungsinstitute wie empirica eine nachlassende Dynamik fest. In den strukturschwachen Regionen werden die Mieten weiter sinken. Im Bundesdurchschnitt können wir froh sein, wenn die Mieten zumindest mit der Entwicklung der Verbraucherpreise Schritt hält.
Hintergrund: Was ist das Bestellerprinzip und warum ist es wichtig?
Seit dem 1. Juni 2015 gilt in Deutschland für Mietwohnungen das sogenannte Bestellerprinzip. Das heißt: In der Regel beauftragen Vermieter einen Makler, um neue Mieter zu finden. Daher müssen Vermieter in Zukunft die Provision übernehmen. Mieter hingegen sind nach der neuen gesetzlichen Regelung nur dann zur Provisionszahlung verpflichtet, wenn sie schriftlich einen Makler mit der Wohnungssuche beauftragen und der Makler dann auf Basis dieses Auftrags die gewünschte Wohnung sucht. Greift der Makler auf eine Wohnung aus seinem aktuellen Portfolio zurück, muss der Mieter keine Provision zahlen.
(Bildmaterial: © Mieterschutzbund, © Haus und Grund)