Baumängel sind der Horror für jeden Bauherren. Dipl.-Ing. Dietmar M. Strick (STRICK Architekten + Ingenieure), verrät im HausXXL Interview, was die häufigsten Ursachen für Baumängel sind und wie private Bauherren Qualitätsproblemen beim Hausbau vorbeugen können.
Herr Strick, wie wahrscheinlich ist es, dass private Bauherren Baumängel erkennen?
Die Chancen stehen 50:50. Es gibt zum einen klar erkennbare Mängel, die dann in der Regel auch unstrittig sind. Beispielsweise wenn ein Bewegungsmelder am Nebeneingang schlicht vergessen wurde. Es gibt aber natürlich auch schwer erkennbare Mängel, bei denen man sich zum Teil auch nicht sicher ist, ob es sich überhaupt um einen Mangel handelt.
Gibt es Unterschiede bei Baumängeln?
Ja. Baumängel unterscheiden sich nach ihrer Art und Weise und lassen sich zusätzlich in unterschiedliche Schweregrade einordnen. Das heißt, ein Baumangel muss nicht immer auch ein Bauschaden im engen Wortsinn sein. Wurde beispielsweise erhöhter Schallschutz beauftragt, aber nur der normale Schallschutz wurde ausgeführt, handelt es sich um einen Mangel juristischer Natur. Neben solchen Vertragsfragen können Mängel an Handwerksleistungen und Bauteilen auch in optische und funktionale Baumängel unterschieden werden. Typisches Beispiel für einen optischen Mangel sind Überstände bei Fliesen.
Wie wird die Schwere von Baumängeln beurteilt?
Für die Bewertung eines optischen Mangels wird zum Beispiel danach unterschieden, ob er in der hintersten Kellerecke oder im Wohnzimmer besteht. Schließlich sind optische Mängel immer auch subjektiv. Um die Schwere des Mangels fair zu bewerten, können Baugutachter nach dem Grad der optischen Beeinträchtigung urteilen. Wobei es auch hier auf den Einzelfall ankommt. Überstände der Wandfliesen im Millimeterbereich sind häufig völlig unproblematisch. Es sei denn, der Mangel tritt beispielsweise in einer Dusche auf, die mit einem Downlight von oben beleuchtet wird. In diesem speziellen Fall verursachen auch minimale Ungenauigkeiten dramatisch wirkende Schatten und damit u.U. einen optischen Mangel. Als Bauherr muss man aber auch verstehen, dass es sich immer um „Hand“arbeit handelt. Zudem gibt es (genormte) Toleranzen, die man aktzeptieren muss.
Wo liegen die Ursachen für Baumängel?
Das Haus bauen ist insgesamt komplizierter geworden. Deutschland ist Vorreiter, nicht nur im energetischen Bauen, mit sehr hohen Anforderungen, vor allem im Bereich Wärmeschutz. Wir haben es auch bei Eigenheimen mit komplexen Zusammenhängen von (zudem immer wieder geänderten) gesetzlichen Rahmenbedingungen, Bauphysik, Materialien und technischen Systemen zu tun, die enorme Anforderungen an die ausführenden Handwerksbetriebe stellen. Dabei ist keineswegs von mutwilligem Baupfusch die Rede. Es ist schlicht so, dass die Fehlerwahrscheinlichkeit steigt, je mehr Details bei der Ausführung berücksichtigt werden müssen.
Probleme mit der Qualität lassen sich aber auch oft auf übertriebene Sparsamkeit zurückführen. Vermeintliche Schnäppchen bei der Auftragsvergabe können sich beim Hausbau als teure Problemquellen herausstellen. Natürlich, Profis kosten immer Geld, sparen dem Bauherren in der Regel aber zeitlichen, nervlichen und auch finanziellen Folgestress.
Wie häufig treten Baumängel auf?
Wenn man ganz pingelig ist, würde man wohl in jedem Eigenheim Baumängel finden. Auf einer Baustelle läuft nie alles 100 % glatt, aber glücklicherweise sind echte Härtefälle die absolute Ausnahme. Erfahrungsgemäß ist beim Bauen mit Architekten die Wahrscheinlichkeit gering, dass juristische, optische oder funktionale Mängel auftreten und liegt schätzungsweise unter 5 Prozent. Wird ohne Architekt gebaut, was eigentlich in Deutschland verboten ist, schätze ich die Mängelwahrscheinlichkeit weit über 50 Prozent.
Wo treten die meisten Baumängel auf?
Am häufigsten haben wir Probleme mit Undichtigkeit an der Gebäudehülle. Eine mangelnde Abdichtung der Außenwände führt zu Problemen mit Feuchtigkeit, wenn beispielsweise im Keller das Wasser drückt oder Wasser z.B. über Loggien oder Dachterrassen in´s Gebäude eindringt. Im Gegensatz zu optischen Mängeln kommt es hier auch beinah zwangsläufig zu teuren Folgeschäden.
Neben Problemen bei der Gebäudeabdichtung ist auch der Bereich Dämmung besonders anfällig für Baumängel. Wo Dämmmaterial nicht vollständig oder nicht fachgerecht verbaut wurde, entstehen sogenannte Wärmebrücken, wo permanent Wärme verloren geht.
Wie können Bauherren Baumängel vermeiden?
Einfach gesagt, indem sie gute Profis beauftragen. Vorsicht ist wie in allen anderen Lebensbereichen geboten, wenn einzelne Handwerksleistungen oder Angebote im sog. Schlüsselfertigbau (Schlüsselfertiges Haus) außerordentlich günstig sind. Auch und besonders beim Hausbau gilt, dass sehr billige Preise regelmäßig mit Abstrichen bei der Qualität einhergehen. Man kann nicht billig bauen und das noch in einer sehr guten Qualität – das ist unmöglich.
Bei den fehleranfälligen und teureren Gewerken wie Rohbau (Rohbau Haus), Abdichtung, Dach etc. ist die Begleitung durch einen Architekten von Anfang an ratsam. Dieser stimmt Planung und Handwerkerverträge aufeinander ab, übernimmt die Termin- und Kostenplanung und überwacht die Qualität in jeder Bauphase. In dieser Konstellation kann im Grunde nichts schief gehen und falls doch vereinfacht die solide vertragliche Grundlage, schon durch die gesetzliche Haftung des Architekten (und seiner Versicherung) eine eventuell nötige Mängelbeseitigung erheblich.
Trotz aller Achtsamkeit: Der Mangel ist da – was nun?
Wenn man bei Gericht landet, haben eigentlich schon alle verloren. Dort läuft alles auf einen langwierigen und teuren Kompromiss (Vergleich) hinaus, bei dem mind. eine Seite nachgeben muss. Eine außergerichtliche Einigung ist deshalb immer das Beste. Ich als Bausachverständiger, der auch praktizierender Architekt ist, nehme dann auch oft eine vermittelnde Rolle als Konfliktberater und Mediator ein. In der Regel können durch Beratung und intensiven Austausch Streits vermieden und vernünftige Lösungen gefunden werden. Von der Nachbesserung bis zum angemessen Abzug vom Rechnungsbetrag gibt es viele pragmatische Wege, mit Baumängeln umzugehen. Entscheidend ist letztlich immer, dass für den Bauherrn ein gutes Ergebnis steht.
Kurzprofil: Dietmar M. Strick ist Dipl.-Ing., Architekt und Sachverständiger für Schäden an Gebäuden. Sein 1992 gegründetes Architekturbüro (www.strick-architekten.de) plant und realisiert Projekte im Wohnungs- und Gewerbebau im Köln-Bonner Raum. Außerdem ist er anerkannter Experte unter anderem für Energieberatung, altersgerechtes und kostensparendes Bauen und hält regelmäßig Fachvorträge.
(Bildmaterial: © STRICK Architekten + Ingenieure)